Bühne frei für die wichtigsten nicht fiktionalen Genres oder
Wie Sie Sachthemen in Buchform gießen können
Sachthemen lassen sich genauso wie offensichtliche Geschichten auf mannigfache Arten erzählen. Im Fachjargon heißen diese Formen Genres. Den Begriff Genre kennen Sie höchstwahrscheinlich vor allem im Zusammenhang mit Fiktion, aus der Bücher- und Filmwelt. Genre wird jedoch nicht ausschließlich für Erfundenes verwendet. Er gilt ebenso für Bücher, die stark in der Realität verwurzelt sind und einen direkten Sachbezug haben. Ich spreche von nicht fiktionalen Büchern oder Non-Fiction, aus dem Englischen entlehnt. Ja, die Einleitung zu den nicht fiktionalen Genres klingt jetzt ziemlich theoretisch. (Sorry, die Literatur-Expertin und Germanistin in mir lässt sich nicht gänzlich unterdrücken.) Aber:
Wo Theorie, da auch Praxis. Zumindest Beispiele: In wahrscheinlich fast jedem Genre lässt sich etwa Liebeskummer verarbeiten. Denken Sie nur an all die Bücher, die Sie schon gelesen haben! Da ist Ihnen das Thema vermutlich schon öfter untergekommen! Vielleicht im Genre Thriller oder als historischer Roman, Science-Fiction, Coming-of-Age-Story oder in ganz anderer Form. Also in einem anderen Genre (der Fiktion).
Genres mit mehr Sachbezug erwünscht
Nur erfunden? Manche Leser*innen wollen mehr. Genres mit Sachbezug etwa. Sie wollen über ein bestimmtes Thema mehr wissen, sich tiefer damit auseinandersetzen. Etwa in Liebeskummer eintauchen. Warum? Vielleicht, weil sie gerade selbst Liebeskummer plagt. Oder weil sie jemandem mit Liebeskummer beistehen möchten. Oder das Thema an sich spannend finden. Es gibt viele Gründe, warum Leser*innen (zumindest in bestimmten Fällen) Genres mit Sachbezug und Realitätsnähe bevorzugen. Ein solch spezielles Interesse führt sie in den Bereich der nicht fiktionalen Genres.
Ihre Hoffnung wird nicht enttäuscht: Im Regal in der Buchhandlung des Vertrauens finden sie etwa einen Ratgeber zum Thema oder greifen nach einer Biografie eines Promis, in der ebenfalls viel darüber zu lesen ist. Und dort in der linken oberen Ecke findet sich ein Erfahrungsbericht einer betroffenen Person. Oder gar ein Kochbuch bei Liebeskummer. Klingt ebenso interessant. Oder?
Der nicht fiktionale Bereich bietet unterschiedliche Genres für die Verarbeitung eines Sachthemas, ähnlich wie die Fiktion. Sprich: Es gibt in der Non-Fiction ebenfalls mehrere Arten, eine, vielleicht ja Ihre, Geschichte zu erzählen. Ihr Herzensthema in Buchform zu gießen.
Prolog: Genres (der nicht fiktionalen Art) und ihre Relevanz
Bei Buch-Projekten über Genres und ihre Konventionen gar nicht Bescheid zu wissen ist wie in einer riesigen Halle voller Menschen nur bestimmte Freund*innen finden zu wollen. Sie erreichen zu wollen, ohne genau zu wissen, wann, wo und ob sie überhaupt anzutreffen sind. Man muss sich erst durchboxen, einen Weg durch die drängenden Menschenmassen bahnen und hoffen, dass die richtigen Leute rechtzeitig aufmerksam werden, bevor einem die Kraft ausgeht. Ohne Basiskenntnisse im Bereich Genres könnte es schwierig werden, ein Buch so zu planen und zu platzieren, dass es nicht in der Masse untergeht, unsichtbar wird. Oder von den falschen Leuten gefunden wird, die mit anderen Erwartungen herangehen. (Sprich: Man ausschließlich Personen aus der Masse erreicht, die man nicht unbedingt anziehen wollte und die eigentlich nichts mit einem anfangen können, sobald das Gespräch begonnen hat.) Das gilt für Menschen genauso wie für Bücher. Für Fiktion gleichermaßen wie für nicht fiktionale Werke.
Genres sollten also schon zu Beginn eines Buch-Projektes als Basis für die Planung dienen. Sie schaffen die Verbindung zwischen Text und Leser*innen. Was noch viel wichtiger ist: Genres beeinflussen die Erwartungen des Publikums, ihr Herangehen an ein Buch.
Um Ihnen einen praktischen Überblick zu verschaffen, bitte ich die wichtigsten Genres aus dem Bereich Non-Fiction um eine kurze Vorstellung. UND ACTION!
Genre Fachbuch
„Guten Tag, man darf mich Fachbuch nennen. Ich bin ein Genre, das Sachthemen auf wissenschaftliche Art und Weise behandelt. Wie es für mein Genre typisch ist, wende ich mich vor allem an ein Fachpublikum. Das sind meist Kolleg*innen aus der im Text untersuchten Fachrichtung, manchmal gibt es interdisziplinäre Interessen. Als Subgenres kann ich in Form von praxisorientierten Fachbüchern, wissenschaftlichen Fachbüchern oder Nachschlagewerken auftreten.
Auch Lehrbücher beziehungsweise Schulbücher gelten als Fachbuch. Diese richten sich an all jene, die etwas über das behandelte Sachthema lernen möchten (oder müssen).
Ich bin fast immer etwas trocken, aber das passt für mein vorwiegend akademisches, jedenfalls seriöses Publikum. Immerhin muss ich hohe wissenschaftliche Ansprüche erfüllen.“
Genre Sachbuch
„Hallo, ich möchte mich als Genre auf diesem Weg kurz vorstellen. Als Sachbuch befasse ich mich ähnlich wie das Fachbuch mit Sachthemen. Daher mein Name. Wie es sich für mein Genre gehört, richte ich mich aber an ein breiteres Publikum. Ich wende mich nicht so sehr an Fachleute. Ich versuche, sachliche Inhalte so zu transportieren und zu erklären, dass sie Interessierten verständlich werden.
Im Genre Sachbuch geht es nicht wissenschaftlich zu. Ich bereite Informationen möglichst anschaulich und greifbar auf. Verständlich, informativ und manchmal auch unterhaltsam. Mit mir als Genre können sich Autor*innen etwa als Expert*innen präsentieren und ihr Herzensthema im Detail vorstellen.“
Genre Ratgeber
„Ich bin’s, der Ratgeber. Wollten Sie schon immer wissen, wie Sie mich als Genre anwenden? Wie ich ticke? Dann kaufen Sie einen Ratgeber zum Genre Ratgeber!“
(Die Autorin dieses Blogartikels blickt den Ratgeber finster an, so richtig finster, mit zusammengekniffenen Augen und schmalen Lippen.)
„Also gut. Ich als Genre stelle ein Sachthema vor. Ich bin so aufgebaut, dass ich die zentrale Problematik möglichst einfach und verständlich erkläre und praktische Lösungsansätze, etwa Übungen, Handlungsanweisungen, Tipps, Tricks etc., liefere. Wichtige Subgenres sind Reiseführer und Kochbücher.
In keiner der Genre-Ausprägungen stelle ich höchste wissenschaftliche Ansprüche. Das wäre kontraproduktiv. Mein Zielpublikum sind alle Interessierten, die von mir und meinen Informationen profitieren können.“
Genre Biografie
„Ich bin ein ganz spezielles Genre. Als Biografie erzähle ich die wahre Lebensgeschichte eines Menschen, zumindest einen Teil davon. Mit mir als Genre kann man Erfolge und Scheitern, zentrale Leitthemen und so viele andere Aspekte im Leben der realen Person im Fokus beleuchten.
Wenn Erzähler*in und Autor*in ein und dieselbe Person sind, sollte ich als Subgenre Autobiografie kategorisiert werden. Ist es eher eine Rückschau auf persönliche Erlebnisse und deren gesellschaftliche Relevanz, kann man dieses Subgenre Memoiren nennen. Das wird vor allem gern gemacht, wenn ich von einer berühmten Persönlichkeit verfasst werde.“
(Die Biografie zwinkert der Autorin dieses Beitrages, also mir, spöttisch zu. Ich glaube, sie will mir damit sagen, dass ich nicht berühmt genug für Memoiren bin. Das mag stimmen.)
Genres in der Zwischenwelt von Fiktion und Non-Fiction
Die Grenzen zwischen Fakt und Fiktion verschwimmen manchmal. Daher gibt es auch Genres, die eigentlich eine Mischform aus Fiktion und Non-Fiction sind.
„Ja. Genau. Ich bin solch ein hybrides Genre. Ich bin der Tatsachenroman. Ich folge als Genre dem Schema von Romanen, einige Ereignisse und Figuren sind real. Viele Elemente sind aber mit Fantasie ausgeschmückt, erfunden.
Eine spezielle Ausprägung des Genres ist der autobiografische Roman. So sollte man mich zur Genre-Kennzeichnung nennen, wenn Autor*innen die eigene Geschichte in Romanform erzählen und dabei Fakten mit Fiktion mischen. Also die wahre Geschichte mit erfundenen Elementen ausgestalten.“
Mit der Vorstellung der wichtigsten Genres aus dem Bereich der nicht fiktionalen Literatur ist der zweite Teil des Genre-Crashkurses nun abgeschlossen. (Teil 1, also die Genres im Bereich Fiktion, finden Sie unter “Das aparte ABC der fiktionalen Genres”: https://text-taenzerin.com/abc-der-fiktionalen-genres-ein-crashkurs/).
PS: Der nicht fiktionale Bereich bietet ebenso eine Vielzahl an unterschiedlichen Genres mit ihren Eigenheiten und Konventionen. Die Qual der Wahl. Mit einem guten Basiswissen zu den einzelnen Genres haben Entscheidungen jedoch ein starkes Fundament. Ein Fundament für ein Buch- oder Text-Projekt, das einem Untergehen in der Masse oder völlig falschen Findern entgegenwirken kann.