„Ode-Wotan-Show“ sagt der Check oder 10+ genial-grenzwertige Vorschläge von „Lektor*innen-Maschinen“
Ein Rechtschreib- und Grammatik-Check muss schnell gehen und sollte nichts kosten. Oder zumindest nur ganz wenig. Diverse in Textverarbeitungsprogrammen integrierte oder zusätzliche (Premium-)Anbieter erfüllen alle diese Kriterien. Ein Wundermittel also? Für eine (erste) Überarbeitung sind sie völlig in Ordnung. Definitiv besser als den Text ohne Überprüfung in die Welt zu schicken.
Trotzdem sollte keines dieser Programme unser (menschliches) Hirn ersetzen. Denn Wunder wirken sie keine. Die Vorschläge sind nicht immer starke Arme, die einen auffangen. Wenn Leser*innen rätseln müssen, was ein Begriff eigentlich ausdrückt, könnte es sich nach den Rezensionen eher so anfühlen, als wäre man auf dem harten Boden (der Tatsachen) gelandet. Aua!
Sinnloses Kauderwelsch
Die gut gemeinten Verbesserungen der Schnell-Checks sind manchmal sinnloses Kauderwelsch. Oder fügen sich nicht logisch in einen Text ein. Oder verursachen einen gewaltigen Stilbruch. Oder verändern den Sinn eines Textes in eine völlig falsche Richtung. Das könnte zu Verständnisproblemen führen. Zu einer Reaktion von Leser*innen aka zu wenig schmeichelhaften Gedanken oder gar Worten. Wenn ich einfach den Vorschlag „Ode-Wotan-Show“ wegen eines angeblichen Rechtschreibfehlers für einen Blogbeitrag angenommen hätte, dann müssten sie wohl raten, was gemeint ist. Wer mag, kann das gerne tun – vielleicht ja als Kreativ-Impuls …
Lieber selbst Hirn einschalten
Bei der Überarbeitung sollten wir Autor*innen daher lieber unser Hirn einschalten. Und die Vorschläge der Tools auf Herz und Nieren prüfen. Definitiv nicht einfach blind einen davon verwenden. Sonst kommt ein Schas raus – und keine „Schahs“. (Also völliger Unsinn halt.) Da ich nicht gerne Behauptungen aufstelle, ohne Argumente dafür zu liefern, gibt es nun eine Art Best-of der schrägsten, dümmsten und mysteriösesten Vorschläge der Rechtschreib- und Grammatik-Programme. (Und nicht „Best-oft“, „Best-ob“ oder gar „Best-Ob“, wie mir der Check von W*** gerade einreden will. Im Duden findet sich jedenfalls nur „Best-of“.)
Cautionary tale, aber unterhaltsam. Viel Spaß und mögen die Erlebnisse die Fantasie anregen!
Ein Blogbeitrag ist nicht zwangsläufig eine Ode an Wotan
Eine „Ode-Wotan-Show“ klingt nicht gerade nach etwas, das eine Einzelunternehmerin beschreibt. Eigentlich hat der Vorschlag fast sexistische Züge: Warum soll eine Ode an Wotan – welcher Wotan auch immer damit gemeint ist – in einer Show präsentiert werden? Das wäre nämlich ein educated guess anhand der einzelnen Wortbedeutungen.
Die anderen Vorschläge sind übrigens – welch Überraschung! – kaum besser: „Ode-Roman-Show“, „Ode-Woran-Show“ und „Ode-Man-Show“. Ob ein gewisser Roman eine als Show verpackte Ode verdient hat, hängt vom individuellen Fall ab. Eine Ode, um ein Woran zu beleuchten, stelle ich mir wenigstens irgendwie poetisch vor. Trotzdem: In welchem Kontext ergibt eine „Ode-Woran-Show“ Sinn? Na ja. Und eine Ode an „Man“ …; darüber werde ich schweigen. Vermutlich regt es ohnehin die Fantasie oder die Hirnregion für Reflexion an.
Welches Wort ich für den Blogbeitrag ausgesucht habe? Vielleicht hat es ja schon jemand erraten. Hier ist die Auflösung: „One-Woman-Show“. Der Duden hat zwar nur die „One-Man-Show“, das Österreichische Wörterbuch (online) ist da schon fortschrittlicher und macht mit der Aufnahme des grammatikalisch femininen Begriffes einen Schritt Richtung Gleichberechtigung. (Ich hätte die „One-Woman-Show“ aber genauso ohne Rückendeckung in Analogie verwendet.)
Post-Edition – wann kommt die E-Mail-Edition?
„Post-Edition“ klingt profan, nicht literarisch-schön. Gut, das ist egal. Es ist allerdings keine Dienstleistung, die jemand anbietet. „Post-Editing“ – der notwendige Begriff – ist zugegebenermaßen im alltäglichen Sprachgebrauch kaum vorhanden, wird aber in fachlichen Kreisen sehr wohl verwendet. Er bezeichnet eine ganz besondere Form von Text-Bearbeitung. Ein Fachbegriff hat seine Berechtigung, kann nicht so einfach ersetzt werden. Schon gar nicht durch „Post-Edding“. Was auch immer das ist …? Ich kenne nur diese Marke für Permanentmarker, die ähnlich heißt. Oder von „Post-Edeling“. Was auch immer … „Post-Auditing“ existiert wenigstens, passt als Synonym für „Post-Editing“ trotzdem nicht. (Ist nämlich eine Art Prüfung eines Projekts und keine Sprach-Dienstleistung.)
Weltenbau richtig einbauen in die Schreib-Welt
Der „Weltenbau“ ist in der Autor*innen-Community kein Neuland. Ja, oft ist der englische Begriff „Worldbuilding“ zu hören. Für das geistige Erbauen einer fiktiven Welt sind definitiv beide Termini geeignet. Blöd nur, dass das nicht jedes Programm für den Check weiß. Da wird dann „Weltenbaum“ vorgeschlagen. Yggdrasil ist allerdings nur Teil einer bestimmten Welt, der nordischen Mythologie, und erschafft keine eigene. Wie man eine Welt an- oder einbauen kann, ist mir nicht ganz so klar. Aber bitte. Vielleicht wächst ja mal eine aus Samen in der Erde? Jedenfalls wollte mir das Tool weismachen, dass „Weltanbau“ oder „Welteinbau“ besser wären als der passende Begriff „Weltenbau“. Noch ein Vorschlag, sogar halbwegs konstruktiv, aber trotzdem eine Themenverfehlung: „Weiterbau“.
„Weltenbau“ ist im Kontext von Schreiben und Literatur nämlich der klare Sieger, egal was ein Programm sagt.
Das-/das-Fehler schauen nicht gerade sinnvoll aus
Ein Feld, in dem oft Fehler passieren, ist das/dass. Zwei unterschiedliche Wortarten für unterschiedliche Teilsätze. Wenn der Check lieber von „das-/das-Fehler“ sprechen würde, mutet das seltsam an. Ja, wenn „das“ und „dass“ einfach zu „das“ würden, wäre es wohl für Autor*innen leichter. Ob man die Grammatik aber so vereinfachen muss, dass es keine Abwechselung mehr gibt?
PS: Bitte ebenfalls ganz genau die Vorschläge durchdenken, wenn ein Relativsatz gebildet werden soll. Das gilt genauso, wenn ein Nebensatz mit „dass“ gebraucht wird. Die schnellen Rechtschreib- und Grammatikchecks verwechseln das (!) gerne einmal. Eine Kundin hat sogar gemeint, dass ihr Original-Manuskript vor der Prüfung im Textverarbeitungsprogramm weniger das-/dass-Fehler hatte. Glaube ich ihr sofort.
„Aufgerückt“ ist nicht ganz so hübsch, oder?
Wenn man bei einem großen Filmfestival, wo sich alle hübsch machen, dabei ist, mag man schon mal auf Social Media davon erzählen. Tja. Beim Schnell-Check kommt die unangenehme Überraschung, ein Wort wird markiert und es gibt Vorschläge: Wenn sich die Gäste fein anziehen und viel Make-up schmieren, ist das laut Tool nur korrekt, wenn sie etwa „aufgerückt“ sind. Nein, das passt sprachlich erst einigermaßen, wenn es um Rankings & Co. geht. Spoiler: Es wird nicht wirklich besser …
Würden die Stars und Sternchen „aufgetischt“, gäbe es definitiv Schlagzeilen. Allerdings wegen eines ungustiösen Verbrechens. Eines Verbrechens gegen den Gaumen jedenfalls. Vielleicht wird für so ein Festival „aufgerüstet“. Im Kontext von Schönmachen mutet der Begriff trotzdem etwas sonderbar an. Zumindest, wenn man nicht ins sexistische Klischee fallen will und Schminke und schöne Kleider mit den Waffen einer Frau gleichsetzt.
Obwohl Make-up tatsächlich „aufgefrischt“ – endlich mal ein nicht völlig unsinniger Vorschlag – werden kann, trifft es die Situation nicht ganz, greift viel zu kurz. Für den Beitrag habe ich mich von Anfang an für einen saloppen, irgendwie nett klingenden Begriff entschieden: das „Aufrüschen“. Und das Wort „aufrüschen“ findet sich sehr wohl im Duden, ist daher korrekt. Genauso wie „aufhübschen“. Oder wie „aufmascherln“ – dieser umgangssprachliche, sehr ‚österreichische‘ Ausdruck bereitet den meisten Tools ebenso Probleme.
Fast hätte ich Kopfzerbrechen geschrieben … aber kann das eine Maschine überhaupt, sich den Kopf zerbrechen? Eher bereiten solche blödsinnigen Vorschläge uns Autor*innen Kopfschmerzen.
Vom Spechteln und Spachteln
Ob jemand „spechtelt“ oder „spachtelt“ macht einen großen Unterschied. Wobei … moralisch sind, wenn es im Kontext von menschlichen Wesen passiert, beide nicht wirklich vertretbar. Das geheime Ausspionieren von anderen ist nicht gerade nett. Und bei „spachteln“ kommt eher das Bild von Personen, die eingemauert werden, und dann wird alles verspachtelt. Das passt wohl nur zu gewissen Genres wie Krimi, Horror oder Thriller. Daher: Die Gepflogenheiten der Textsorte sind bei der Wortwahl und Überprüfung zu beachten.
In welchem Kontext ergibt „siechtest“ oder „siechtet“ anstatt der 3. Person Singular von „spechteln“ mehr Sinn? Jedenfalls nicht, wenn eine Person oder Figur andere heimlich beobachtet. Denn dann „spechtelt“ er oder sie, ganz einfach. Auch wenn es ein umgangssprachlicher Begriff mit Österreichnähe ist. Der übrigens im Duden zu finden ist.
Kein Schas!
Zugegeben, Wörter mit Bezug zu regionalen Dialekten sind kompliziert. „Schas“ steht zumindest als Synonym für hörbar entweichende Blähungen im Duden. Und als Redewendung „Schas mit Quasteln“, das im schönen Ö verwendet wird. „Schas“ als mundartliche Nebenform von „Scheiß, Scheiße“ wird immerhin als Herkunft erwähnt. Aber „Schas“ ist mehr als das. Fans des ESC (Eurovision Song Contest) haben diese umgangssprachlich und irgendwie doch ein bisschen nett gemeinte Variante von Blödsinn, Unsinn oder Scheiß sowieso schon öfter gehört: beim Sieg 2014, von Medienleuten gefühlt jedes Jahr danach und aus dem Mund des Siegers 2025. Ein anerkanntes Wort also. Und kein „Schah“, „Schau“, „Schar“, „Schal“, „Schahs“.
Tippfehler beim Ö oder wie ein ganzes Land ausradiert wird
Herzlichen Dank an den Textcheck, der ein ganzes Land auslöscht, wenn „Ö“ (also die Abkürzung für „Österreich“) als Tippfehler markiert wird. Nein, es ist kein Tippfehler! Es ist einfach die Kurzform für das Land, in dem ich lebe, die nahe am Eigennamen ist und im Deutschen weniger holprig klingt als das internationale „AT“. Das riecht extrem nach Bürokratie und funktioniert bei Post und so super. Im Fließtext fließt es aber nicht so gut – und das ist schon fast ein Euphemismus – wie „Ö“. Außerdem könnte ebenso der Buchstabe Ö gemeint sein, was trotzdem kein Tippfehler ist. Armes Österreich, armes Ö! Das Tool zum Rechtschreib- und Grammatikcheck würde euch am liebsten ausradieren …
Fazit:
Schnell-Checks sind eh ganz gut, das menschliche Hirn ersetzen sie nicht. Dieses sollte unbedingt eingeschaltet werden, um Vorschläge, die zu sprachlichen Entgleisungen führen und Verwirrung stiften, schnell zu identifizieren und zu ignorieren. Viele Leser*innen werden dankbar sein, wenn sie keine Rätsel lösen müssen, die sie nicht erwarten.
Und wenn es an die Überarbeitung geht, sind vielleicht einige der vorgestellten Tricks hilfreich – natürlich immer mit Hirn: 5 tolle Tricks zur Erstkontrolle und Überarbeitung.
Wer noch mehr über Fails und Fallen von Schnell-Checks wissen will, sollte bei How Shocking! reinlesen.